Wandern und reden in Irland

Lough Eske

Nordirland erwandern

Im Norden von Irland gibt es ein interessantes Urlaubsangebot, bei dem sich sowohl der Körper als auch der Geist trainieren lassen. „Walking & Talking in Irland“ nennt der Englischprofessor Sean Mullan sein Programm, mit dem man zwei der schönsten Regionen im Norden Irlands erwandern kann und gleichzeitig wahlweise auf Englisch oder Deutsch viel über Land und Leute erfährt. Nach einer Woche sind sowohl die Wadeln als auch längst verloren geglaubte Englisch-Vokabel wieder präsent. Und ein paar Brocken Gälisch gibt es als Dreingabe!

„Slàinte“ heißt Prost. Das lernSchafe in Nordirlandt man schnell.

Am Weg von Dublin in den Norden. Nach einigen Kilometern sieht man schon, dass sich die Umgebung zunehmend verändert und immer mehr dem Bild ähnelt, das die Welt von Irland hat: sanfte Hügel, wohlgenährte Schafe, die sich zwischen niedrigen Mauern auf dem Grün verteilen, wie Noten auf einer handgeschriebenen Partitur, weidende Kühe und kleine Steinhäuser. Der Busfahrer und Guide, der unsere kleine Wandergruppe begleitet, heißt Joe Fahy und ist so irisch, wie man nur sein kann. Um uns die Fahrt in den Nordwesten nach Donegal zu verkürzen, erzählt er uns alle Eigenheiten und Geschichten, die ihm zu seinem Land einfallen. Wir lernen unter anderem, dass er hofft, noch zu Lebzeiten ein vereintes Inselreich zu erleben und dass man nicht „Cheers“ sagt, sondern „Sláinte“ (gesprochen: ßlonnte), wenn man sich mit einem Glas Guinness zuprostet. Wir erfahren zudem alles über „Peat Bog“, das Torfmoor, das ganz Irland zu überziehen scheint. Entlang der Straße sieht man die Abbaustellen, wo die schwarzbraunen Briketts zum Trocknen lagern. „Das gibt wohlige Wärme, wenn man sich an einem Winterabend mit seiner Frau vor den Kamin kuschelt,“ weiß Joe, und man merkt an seiner weichen Stimmfärbung, dass er gerne an seine Frau denkt. Er ist ewig verheiratet und Katholik, aber in die Kirche geht er nur zu allen heiligen Zeiten, erzählt er uns, und dass es schön ist, wie alle nun miteinander auskommen. Derart belehrt, erreichen wir die Grafschaft Donegal, wo sich nach einer Nacht im Harvey’s Point Hotel das nächste Irland-Klischee erfüllt: vor uns liegt der Lough Eske, ein See wie aus dem Sagenbuch, von dem sich in der Morgendämmerung zaghaft der Nebel löst. Eine Schwanenfamilie gleitet durch den Dunst aufs Ufer zu, ehe die ersten Sonnenstrahlen das ohnehin schon fast kitschige Bild zu einem irischen Ölgemälde verwandeln.

Glencolmcille. Unaussprechlich. Aber schön.

Viele Aussichten und viele Einsichten verspricht die Wanderwoche in IrlandVor dem lokalen Pub in Glencolmcille wartet schon unser Wanderführer, Sean Mullan. Der weißhaarige Professor stammt eigentlich aus Nordirland, genauer gesagt aus der Stadt Londonderry, die katholische Nordiren grundsätzlich Derry nennen. Seit Sean 21 ist, arbeitet er als Englischlehrer. Dabei hat er einen guten Teil der Welt gesehen und sogar einige Jahre in Deutschland gelebt. Aus diesem Grund ist sein Deutsch ausgezeichnet, wenn auch von einem charmanten irischen Akzent gefärbt. Um uns auf unsere Wanderung durch die historisch und landschaftlich interessante Region einzustimmen, die entlang eines seit 1.500 Jahren benutzten Pilgerweges des Heiligen Patrick führt, bringt Sean uns auf den Friedhof. Die uralten Grabsteine ragen scheinbar ungeordnet aus dem Gras. Die Landschaft rundum ist von niedrigen Steinmauern durchkreuzt und mit steinzeitlichen Kultsteinen gespickt, die vor langer Zeit mit christlichen Symbolen dekoriert wurden. Zwei Rundwanderwege lernen wir in Glencolmcille kennen: den zehn Kilometer langen Tower Loop und den 13 Kilometer lange Drum Loop. Wir wandern durch rotblaues Heidekraut, vorbei an Schwarzkopfschafen, deren verwunderte Blicke uns lange folgen. Das Fischerdorf An Port und das wild-romantische Tal von Glen Lough verzaubern uns. „Im Herbst und im Frühling ist hier nicht viel los,“ erklärt Sean. Dabei ist es herrlich, speziell als die Wanderroute an die steil abfallende Küste führt. „Ab und zu kann man da unten sogar Robben beobachten,“ weiß Sean, der uns während unserer Wanderungen nicht nur Flora und Fauna erklärt, sondern viel über die Geschichte und Gegenwart Nordirlands erzählt. Währenddessen erwandern wir uns Kilometer für Kilometer der spektakulären Küste, besuchen das verlassene Fischerdorf An Port und lassen uns von der wilden Romantik im Tal von Glen Lough verzaubern. Höhepunkt ist aber die Küste von Slieve League, wo sich die höchsten Seeklippen Europas mehr als 600 Meter über den Atlantik erheben. Am Abend im Pub hat man viel zu erzählen und wird obendrein zum Fan von gälischer Musik. Nicht zuletzt gilt Donegal als Zentrum der Irischen Sprache, die sich vom Gälischen ableitet.

Die Antrim Küste. Riesenschuhe und Orgelpfeifen.

Ein riesiger Teppich aus Basaltsäulen, die an Orgelpfeifen erinnern. Der Giant's Causeway wurde von der UNESCO zum Welterbe erklärtIm Nord-Osten der grünen Insel liegt die Antrim Küste, an der sich zwischen Ballintoy und dem Giant’s Causeway das Welterbe Nordirlands erschließt. Die abwechslungsreiche Wanderung führt uns in das kleine Fischerdorf Port Braddan, nach Port na Spaniagh, wo die ‚Gerona’ der Spanischen Armada im Jahr 1588 sank und vorbei an den beeindruckenden Ruinen vom Schloss Dunseverick. Dann endlich liegen die Buchten, Amphitheater und die geschätzten 40.000 Basaltsäulen vor uns, die den Giant’s Causeway, also den Weg des Riesen, ausmachen. Der große Einfluss des nahe gelegenen Schottlands ist deutlich spürbar, hat doch der Sage nach ein schottischer Riese diesen Weg gelegt, um einen irischen Konkurrenten herauszufordern. Beweise dafür gibt es genug: der versteinerte Schuh eines Riesen, eine Reihe gigantischer Orgelpfeifen und andere gewaltige Steinformationen verwandeln die Landschaft in ein Freiluftmuseum. Vogelkundlern empfiehlt sich ein Besuch im Kebble Naturreservat auf Rathlin Island, wo man riesige Seevögel-Kolonien beobachten kann. Eine besonders schöner Abschnitt der Wanderung führt über die Hängebrücke von Carrick-a-Rede und zu den blanken Klippen von Fair Head. Auch wenn man noch so hingebungsvoll Seans Geschichten lauscht, entgehen einem die Schönheiten der Landschaft nicht, dafür sorgt der erfahrene Wanderführer. Die entspannte Atmosphäre und die Bewegung scheinen jedoch das Englisch völlig ungezwungen zum Fließen zu bringen. Was gibt es für eine angenehmere Art, sich (sprach)fit zu machen?

Weitere Informationen

Sean Mullan

Sean Mullan organisiert seine Wandertouren immer unter Einbeziehung von kleinen, einfachen aber schönen Unterkünften und Restaurants. Unter den Einheimischen genießt er großen Respekt. Seine Gäste lernen nicht nur die Flora und Fauna der Region zu schätzen, sondern haben auch viel Gelegenheit, sich mit der lokalen Bevölkerung auszutauschen. Lokale Sitten und Gebräuche vermitteln sich den Besuchern nicht zuletzt in den typischen Pubs, wo man irische Musik hört, Guinness trinkt und den Leuten auf den Mund sehen kann. www.walktalkireland.com, www.irlandwanderungen.de

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