Heute erreicht mich die Pressemeldung der Welttourismusorganisation UNWTO, dass die T20 – es handelt sich hierbei um ein Treffen der Tourismusverantwortlichen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer G20 – ihre Visa-Bestimmungen vereinfachen wollen.
In ihrer Erklärung ermutigen sie die G20, neue Technologien zu nutzen und Reisen zugänglicher, bequemer und effizienter zu machen ohne dabei die nationale Sicherheit zu gefährden. Derartiges versteht sich als Beitrag zu ökonomischem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen – wichtig vor allem hinsichtlich des derzeitigen wirtschaftlichen Klimas.
UNWTO und das World Travel and Tourism Council WTTC versprechen sich – und natürlich anderen – durch entsprechende Anpassungen der Visa-Prozedere bis zu fünf Millionen neuer Jobs für die G20 Staaten. Hinzu kämen geschätzte 206 Mrd. US-Dollar an zusätzlichen Einnahmen.
Tolle Initiative, denke ich mir, als ein überzeugter Fürsprecher einer Welt ohne Grenzen, die jedem Menschen bedingungslose Reisefreiheit gewährt. Wenn, ja wenn, bloß auch die anderen Staaten was davon haben. Dass sich die Menschen aus G20-Ländern gegenseitig besuchen, ist ohnehin nichts Neues. Mich freut’s ja, wenn ich nicht mehr morgens ab 7 Uhr an der russichen Botschaft in Berlin anstehen muss, oder mehrere Vormittage im Wartesaal der indischen Botschaft in Wien rumsitze. Mein Visum hab ich immer noch bekommen. Selbstverständlich, möchte man sagen. Aber das trifft so nicht für indische, russische oder südamerikanische Freunde mit Reiseziel Europa zu. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn Messestände auf Reisemessen unbesetzt sind, weil das Visum nicht gewährt wurde. Die wird es also auch freuen, wenn nun alles einfacher gehen soll.
Nicht zu vergessen: Tourismus ist einer der großen Devisenbringer für viele wenig entwickelte Staaten – wie man Teile der Welt, die den Konsumrausch noch nicht vollständig verfallen sind, gerne klassifiziert. Den landschaftlichen Reiz, die unberührte Natur und das exotische Ambiente inklusive der lokalen Bevölkerung lassen wir uns gerne etwas kosten. Entwicklungshilfe vom Strandkorb aus, quasi. Dessen eingedenk, werden wohl auch die Visa-Vereinbarungen mit diesen Ländern behutsam vereinfacht. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer: Wenn das mal keine Einbahnstrasse wird.
Anfang der Woche war ein Bekannter zum Kaffee hier, und hat mich um Rat gefragt. Ein Freund habe ihn gebeten, für seine Schwestern aus dem Iran ein Einladungsschreiben zu verfassen, damit diese ihn in Österreich besuchen könnten. Wer nun denkt, es gehe hier um einen Hochglanzkarte im gefütterten Kuvert à la 70iger Geburtstag, der irrt. Da ist von unbegrenzten Bürgschaften und von Haftungsübernahme die Rede. Hinzu kommt für manche Länder das besondere Zuckerl, dass ihre BürgerInnen sogar für den Transitbereich an Flughäfen in Drittstaaten, die sie durchreisen, ein extra Visum beantragen müssen. Solange wir hier in unserer Festung Europa von so hohen Rössern herabschauen und Menschen statt mit herzlicher Gastfreundschaft mit bürokratischen Fussfesseln übelster Sorte einladen, kann ich keinem Land verdenken, wenn es bei der Visa-Vergabe souverän mit gleicher Münze zurückzahlt. Traurig, aber wahr.
Da hat sich in den letzten Jahren leider nur wenig geändert, wenn ich mir meinen Artikel „…denn das Gute liegt so nah – Tourismus und Migration“ aus 2007 nochmals anschaue.