Die Botschaft des guten Geschmacks: Slow Food in Bulgarien

SlowFood in Bulgarien

Supermärkte und Ziergärten sieht man selten, wenn man auf Bulgariens Landstrassen unterwegs ist. Dafür säumen im Juli rechts und links der Wege strahlend rote und gelbe Mirabellen wie Christbaumkugeln den Weg in eine Welt, in der im Garten noch allerorten Obst und Gemüse für den Eigenbedarf angepflanzt wird. Eine Besuch in der Welt des langsamen Genießens.

Bulgarien wartet mit einer deftigen Küche aufDeshka empfängt mich mit einem breiten Lächeln und offenen Armen unter den Weinreben ihres Hauses. Die 50-Jährige mit den rotgefärbten Haaren ist bulgarische Slow-Food-Botschafterin. Die weltweite Bewegung vom langsamen Essen beschreibt man wohl am einfachsten mit dem Sprichwort: „Gut Ding will Weile haben!“. Es geht um Genuss, um Geschmack, um frische lokale Produkte und alte Rezepte.

Wie sie auf das Netzwerk aufmerksam wurde, will ich wissen. Deshka lacht: „Es war umgekehrt. Die sind auf mich aufmerksam geworden!“ Irgendwann stand eine Frau im Eingang der kleinen Pension, die Deshka im Dorf Gorno Draglishte im südwestlichen Bulgarien betreibt. Man hatte ihr erzählt, dass man bei Deshka echtes, traditionelles Essen bekommen könne. Die beiden Frauen haben dann viel Zeit gemeinsam in der Küche verbracht.

Bulgarien wartet mit einer deftigen Küche aufSeitdem kennt Deshka einen Namen für das, was sie schon immer gemacht hat. Und wie vor ihr ihre Mutter. Und davor deren Mutter. Pflanzen, ernten, frisch zubereiten, und das, was nicht direkt auf den Tisch kommt, haltbar machen, für die kalte Jahreszeit. Die Fertigkeit, Geschmack und Nährstoffe optimal zu konservieren, ist eine Essenz aus generationenaltem Wissen. „Wenn drei Generationen unter einem Dach leben, dann lernt man vieles ganz nebenbei. Die Küche ist die Keimzelle des Hauses, und man kann ja gar nicht anders, als sich auf die Finger zu schauen und mitzuhelfen.“ Auf der Eckbank stapeln sich die Spielsachen für die Enkelkinder. ‚Training-on-the-job‘ könnte man Neudeutsch sagen, und ‚Übung macht den Meister‘.

Einige Stammgäste nennen sie ‚Deshka pes greshka‘ – Deshka ohne Fehler. Sie selbst sieht das natürlich anders. Bulgarien wartet mit einer deftigen Küche aufIhre Bescheidenheit wirkt echt – hausgemacht, quasi. Ganz am Anfang, erzählt sie, nachdem sie die Pension eröffnet hatte, rief sie immer ihre Mutter an, um für die Gäste die Banitza, das bulgarische Leib- und Magengericht aus Hefeteig zuzubereiten. „Es gibt keine bessere Banitza“, schwärmt die stets umtriebige Hausfrau. „Aber Mama hat ja auch ein Recht auf etwas Ruhe, in ihrem Alter.“ Als Starthilfe hat ihr die Mutter ihre Küchenutensilien vererbt: Ein tischgroßes Holzbrett und ein armlanges Nudelholz.Sie rollt den Teig, streut Mehl, wendet, rollt an der einen Ecke, glättet an einer anderen. „Ich bin noch lange nicht so gut wie Mama, aber ich übe!“, lacht sie.

Bulgarien wartet mit einer deftigen Küche aufDeshka zelebriert Perfektion. Nicht pedantisch; im Gegenteil: Sie verfeinert. Ihr Meisterstück, Meurche, eine ungeräucherte Hartwurst, hat sie vor zwei Jahren in Italien auf dem Slow-Food Kongress vorgestellt. Ein Renner, fand die Jury. Für das fast vergessene Festmahl verwendet man nur die edelsten Stücke vom Schwein: das Fett, die Haxe und das Schulterstück. Deftig gewürzt mit Salz, Pfeffer, Kümmel, Koriander und getrockneten Dillsamen und -blättern, wurde die Wurst in Schweinsblase und -magen zum Trocknen auf den Dachboden gehängt. Danach reifte die Salami in einer besonderen Holzkiste, komplett eingegraben in Asche. Bis zu 16 Monate lang.

Deshka schaut verlegen zu Boden. „Ich würde dich ja gerne ein Stück kosten lassen“, entschuldigt sie sich, „aber die beiden letzten, die ich habe, hängen am Dachboden zum Trocknen für den Kongress im nächsten Jahr.

Bulgarien wartet mit einer deftigen Küche aufWie könnte ich Deshka böse sein, dass sie die Meurche nicht in großem Stil herstellt. Sie packt die Banitza in die Ecke. „Die braucht jetzt ihre Ruhe, damit sie zur vollen Größe wachsen kann.“ Im Vorbeigehen schupst sie die Pfanne auf die heiße Platte ihres geliebten Holzofens. „Heute habe ich einen schönen Kürbis aus dem Garten geholt. Gleich gibt’s Gemüsepfannkuchen. Damit uns das Warten leichter fällt!“, strahlt sie.

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