Die Schärfe von mexikanischen Jalapeños, die Ästhetik eines japanischen Menüs, der Duft von orientalischen Gewürzen, die Feierlichkeit einer äthiopischen Kaffeezeremonie, die Vielfalt der chinesischen oder die Frische der italienischen Küche – sich einem wohlschmeckenden Mahl mit allen Sinnen hinzugeben, gehört zu den Elementen, die eine rundum zufriedenstellende Reise ausmachen. Als Kontrapunkt zur globalisierten Gastronomie steht bodenständige Küche nicht nur bei „Foodies“ ganz oben auf der Reise-Agenda.
In keinem Wirtschaftszweig trifft die Globalisierung auf so hohe Akzeptanz wie in der Gastronomie. Exotische Restaurants schießen aus dem Boden, ehemalige Würstelbuden servieren chinesische Nudeln, Pizza oder Kebab. Sushi, Tofu oder etwa Kiwis sind in Mitteleuropa fast schon zu Grundnahrungsmitteln geworden. Was früher das Wienerschnitzel an der Adria oder in den Touristenzentren Asiens war, ist heute Chop Suey oder Lammcurry in Salzburg oder Venedig. Dies ist vor allem der Tatsache zuzuschreiben, dass die höchst willkommenen Touristen aus China oder Indien unglücklich sind, wenn sie länger als zwei Tage keine gewohnte Kost zu sich nehmen. Nachdem die erste Generation von chinesischen Gruppenreisenden mit mitgebrachten Instant-Noodles überleben musste, ist es in den Tourismushochburgen inzwischen Usus, den Gästen ihre eigene Kost anzubieten.
Globalisierte Kulinarik
Die Übernachtungszahlen von chinesischen und indischen Gästen in den deutschsprachigen Destinationen sind seit Jahren im Steigen begriffen. Hotelvereinigungen reagieren unter anderem damit, die Ausstattungskriterien für ihre Mitglieder entsprechend zu erweitern. So wird zum Beispiel geraten, eine Liste asiatischer Restaurants aufzulegen und wenn möglich warmes Frühstück anzubieten. Flexibel erweisen sich auch die Restaurateure in den Hotspots für Sommergäste aus der Golfregion, wie Garmisch oder Zell am See: Schweinefleisch- und „halal“-Kennzeichnungen am Buffet und in arabischer Schrift verfasste Speisekarten sind dort inzwischen selbstverständlich geworden. Nicht zuletzt sind auch für Gäste aus dem engeren Kulturkreis Anpassungen notwendig, sei es um Allergiker, Vegetarier oder Veganer zufriedenzustellen.
Öko-Gewissen im Gepäck
So wichtig es ist, sich auf die Gäste aus den Wachstumsmärkten einzustellen, umso mehr gilt es, regionale Speisen als wichtigen Teil jeder Destination zu bewerten, denn immerhin prägt die Küche ein Land ebenso wie Architektur, Sprache oder etwa Religion. Speziell Individualreisende bekommen immer mehr Lust, ihr Reiseziel auch über ihre Geschmacksnerven kennenzulernen. Street Food-Festivals oder speziell auf die Bedürfnisse von Feinschmeckern abgestimmte Reiseangebote tragen diesem Trend Rechnung. Ehemalige Reisehighlights wie „All-you-can-eat“-Buffets sind aus der Mode gekommen, denn immer mehr Gäste nehmen ihr ökologisches Gewissen in den Urlaub mit. Sie freuen sich über ein möglichst regionales, authentisches Angebot an Speisen und über Bauernmärkte, die regionale Essgewohnheiten widerspiegeln. Viele achten auf biologische Ernährung und machen sich unter Umständen über Verschwendung und Überproduktion ebenso Gedanken wie über die Arbeitsumstände der Küchenkräfte.
Slow Food als Chance
Reisende, die ihr Urlaubsziel nicht zuletzt nach dem kulinarischen Angebot aussuchen, sind eine durchwegs interessante Zielgruppe. Sie hat das Potenzial, die lokale Tourismusentwicklung voranzutreiben, die regionale Identität zu stärken und die traditionelle Kochkunst zu erhalten.
Die steigende Nachfrage nach charakteristischen, nachhaltig erzeugten, lokalen Produkten belebt die Bauernmärkte und bildet eine interessante Verbindung zwischen den Gästen, Bauern und der Natur der Zielregion. Nicht zuletzt geht der Einsatz von Erzeugnissen im Tourismus mit kurzen Lieferwegen und niedrigem Ressourcenverbrauch Hand in Hand. Auf diese Weise können weltweit neue Einkommensquellen und Tourismusarbeitsplätze entstehen, ohne die Umwelt oder das soziale und kulturelle Gleichgewicht aufs Spiel zu setzen. Bio-Hotels oder „Urlaub-am-Bauernhof“-Anbieter sind bereits auf dem richtigen Weg. Wie große Hotelketten, Ferienresorts oder etwa Kreuzfahrtunternehmen die Urlaubskomponente „Essen“ mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeit auf einen Nenner bringen können, ist aktuell Thema mehrerer universitärer Studien. Großes Engagement zeigt die weltweite Slow Food-Bewegung, die gerade dabei ist, Slow Food Travel Regionen zu definieren, wo traditionelle Lebensmittelproduzenten, Bauern, Köche und Gastwirte bereit sind, ihr überliefertes Wissen und altes Handwerk weiterzugeben. Die Gäste können etwa an Kochkursen teilnehmen oder im Rahmen einer Almwanderung beim Buttermachen selbst Hand anlegen. Das Ziel ist es, die Wertschätzung für die Nahrungsmittel und ihre Produzenten zu steigern. Das Pilotprojekt entstand im Kärntner Gail- und Lesachtal und wurde auf der ITB 2016 vorgestellt.