Aus grau wird wieder grün – Entlang der Panke in Berlin

Kaffeküch & Bücherei Wedding

Die Panke ist ein unscheinbares Flüsschen, das durch den Berliner Norden fließt. Sie trägt einen großen Namen. Einst war sie ein Naherholungsgebiet für die Hauptstädter, bevor sie während der Industrialisierung als „Stinkepanke“ zu trauriger Berühmtheit gelangte. Heute erkennt man ihren Erholungswert wieder und bemüht sich um Renaturierung. Ein Lokalaugenschein entlang des ersten grünen Hauptweges durch die deutsche Bundeshauptstadt.
Wo früher der sog. Todesstreifen die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin sicherte, sprießen heute schicke Stadtvillen aus dem Boden. Der Panke-Grünstreifen durch die Stadt wird zum schicken Wohnort.Wenn man den Bahnhof Friedrichstrasse Richtung Schiffbauerdamm verlässt muss man schon genau hinschauen, um die Öffnung des Panke-Mündungstunnels im Mauerwerk der Spree-Einfassung zu entdecken. Das erste Mal bekommt man Pankewasser erst auf dem Gelände der freien Universität, hinter dem Berliner Ensemble, zu Gesicht. In den Grünanlagen zwischen den historischen Gebäuden hat man die Panke wieder aus ihrem Tunnelbett befreit. Hier beginnt der Pankeweg, der als erster von zwanzig geplanten grünen Hauptwegen, eine Fußgänger freundliche Bewegung abseits der Auto-Verkehrsadern ermöglichen soll. Im dicht bebauten Innenstadtbereich rund um die Invalidenstrasse muss sie noch manchmal auf unterirdische Wege ausweichen. Erst im neu entstehenden Panke-Park auf dem Gelände des ehemaligen Stadions der Weltjugend, dort wo das neue Hauptquartier des Bundesnachrichtendienstes entsteht, wird sie sich bald wieder in voller Pracht zeigen. Am zukünftigen Ufer sind vornehme Stadthäuser erste Vorboten einer ansteigenden Lebensqualität im Herzen Berlins.

Grüne Querachse durch den Roten Wedding

Fast vergessene Architektur von Weltklasse am Ufer der Panke im Wedding. Die Druckerei Rotaprint, heute ein Kreativzentrum in Selbstverwaltung.Jenseits der Zonengrenze hat die Stadtverwaltung dem von Kriegsschäden gezeichneten West-Berliner Bezirk Wedding in den sechziger und siebziger Jahren einen Face-Lift verpasst. Zwischen den massiven Blöcken aus den Programmen des sozialen Wohnungsbaus räumte man der Stadtbegrünung großen Wert ein. Die Panke wurde ein Leitfaden einer Parkanlage, die sich durch den gesamten Bezirk zieht. Und eine Wanderung an ihrem Ufer lädt ein zu einem Streifzug durch die Geschichte. Auf einem Gelände, das vormals den Berliner Verkehrsbetrieben als Depot diente, hat heute eine rege Kunstszene in den „Uferhallen“ ein neues Zuhause gefunden. Nahe der heutigen Bezirksbibliothek erinnert ein Relief daran, dass einst der König bei einem Reitausflug das Wasser einer Quelle adelte – die Entstehung des Stadtteil-Namens Gesundbrunnen. Auf der anderen Seite der Panke beherbergt der rote Backsteinbau der ehemaligen Tresorfabrik Arnheim nun eine Künstlerwerkstatt. Nicht weit davon entfernt flussaufwärts betritt man den Soldiner Kiez. Der hohe Anteil von Migrantenfamilien hat dem Gebiet den Ruf eines sozialen Brennpunkts eingebracht. Angelockt von günstigen Mieten, guter Verkehrsanbindung und der grünen Umgebung sind Künstler und Studenten Anzeichen dafür, dass sich der nördliche Wedding im Wandel befindet.

Monopoly und Bonzenvillen in Pankow

Ein gern gesehener und genutzer Luxus in der Stadt: weite offene Grünflächen, wie hier am Rückhaltebecken der Panke in BerlinDie Straßenlaternen hinter dem Bahnhof Wollankstraße sind noch Überbleibsel aus der Grenzstreifenbeleuchtung. Auf dem ehemaligen Ödland hat sich der Kinderbauernhof Pinkepanke einquartiert, in direkter Nachbarschaft zum Bürgerpark Pankow. Das Naherholungsgebiet ist besonders bei jungen Familien sehr beliebt. Verständlich, machte es sich doch auch die Politprominenz der DDR am nahe gelegenen Majakowski-Ring gemütlich. Die ehemaligen Zugangsbeschränkungen sind lange aufgehoben. Dennoch ist man noch unsicher im Umgang mit der historischen Altlast: Wegweiser zu den Bonzenvillen sind selten – man bemüht sich um Alltag in der exquisiten Wohnlage. Auch hinter dem zerfallenden Stahlbetongebäude am Eingang zum Schlosspark Schönhausen würde man kaum das ehemalige Gästehaus der DDR vermuten. Hier war einstmals das Gefolge der Staatsgäste einquartiert. Die Exzellenzen selbst wohnten im Schlossgebäude, das Königin Elisabeth Christine als Sommerresidenz fernab der Residenz ihres Gemahls König Friedrich II. in Potsdam diente. Eine exklusive Gegend, in der auch Straßennamen à la Schlossallee und Parkstraße an die Top-Adressen beim Monopoly erinnern. Die Parkstrasse verbindet die beiden Pankower Parkanlagen Bürgerpark – ursprünglich der Privatpark eines Zeitungsverlegers – und den 1704 angelegten Schlosspark.

JWD – Janz weit draußen

Fast holländisch muten die historischen Gebäude der Heilanstalt Berlin-Buch an. Dem Oranier-Kaiser wird's gefallen haben.Für die meisten Hauptstädter beginnt hinter Pankow eine Terra Incognita, die höchstens als Landschaft am Fenster der S-Bahn vorbeirauscht. Früher wurde auf den weiten Feldern vor der Stadt das Abwasser verrieselt. Heute findet man hier eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Das Naturschutzgebiet Karower Teiche beheimatet 69 teils seltene Vogelarten. Zu diesen gesellen sich im Frühjahr und im Herbst viele Zugvögel, die das 130 Hektar große Gebiet als Rastplatz schätzen. Die Aussichtsplattformen am Rundweg ermöglichen gute Einblicke in die Welt der Federtiere. Gute Luft und sicherer Abstand zur Stadt waren Anlass für die Errichtung der Heilanstalten in Berlin Buch. Um die Jahrhundertwende beschloss die Stadtverordnetenversammlung von Berlin als Maßnahme gegen die Tuberkulose die Errichtung einer Lungenklinik am Rande der Stadt im kleinen Dorf Buch. Mit dem zeitgleichen Bau einer „Irrenanstalt“ und eines Alte-Leute-Heimes wurde der Grundstein für das damals größte und modernste Gesundheitszentrum Europas gelegt. Heute sind die teils verlassenen historischen Architekturschätze ein melancholisch romantisches Ambiente auf Spaziergängen durch die Parkanlagen der „Krankenhausstadt“. Die Quelle der Panke erreicht man schließlich in Bernau. Das kleine Städtchen nördlich der Stadtgrenze bietet viel mehr als seine Lage im Schatten der Hauptstadt vermuten lässt. Bereits im 13. Jahrhundert erhielt Bernau Stadtrechte und das mittelalterliche Flair ist bis heute lebendig in den Fachwerkhäusern, Kirchen und der 1,3 Kilometer langen Stadtmauer. Im Juni wird diese Kulisse in Erinnerung an die Stadtgeschichte zur Bühne für das Hussitenfest. Und während die Berliner dem Ruf in den hervorragenden Bier-Brauort Bernau folgen, fließt das Panke-Wasser, das nicht zum Brauen gebraucht wurde, in aller Ruhe in Richtung Bahnhof Friedrichstrasse.

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