Zambuko – eine Brücke im Busch

Mashonaland, Zimbabwe

Globalisierung hat auch in Afrika manchmal etwas Gutes: die Träume eines alten Mannes in einem kleinen Dorf im Mashonaland von  Simbabwe trafen auf das Engagement von zwei englischen Professoren. Das Ergebnis: eine Bibliothek mitten im Nichts.

Zambuko„Welcome to Zambuko,“ grinst die Frau mit dem runden Gesicht und den beeindruckend perfekten Zahnreihen ins offene Fenster unseres Kleinbusses. Sie sieht nicht aus, als ob sie zum ersten Mal internationale Gäste empfangen würde. Keine Spur von Schüchternheit. Andererseits, wenn ich mich so im Dorf umsehe, können noch nicht viele Touristen hier gewesen sein. Aus Erde wie von rotem Ocker stehen mit Reet gedeckte runde Häuser aus Ziegeln. Im Schatten einiger Bäume sieht man einen dachlosen Stall, in dem nachts sicher die Ziegen eingesperrt werden, daneben ein Käfig auf Holzstelzen, aus dem ein paar Kaninchen lugen. Unter einem anderen Holzgestell, das sich unter dem Gewicht von irdenen Gefäßen und bauchigen Metalltöpfen biegt, tummeln sich Hühner. Im Staub spielen zwei kleine Buben. Sie zeichnen mit ihren Fingern Muster in den Sand. Über ihnen weht bunte Wäsche im Wind. Ein Stoß mit Ästen und Zweigen, eine Bananenpalme hinter einem Schilfzaun, ein paar Plastikeimer, die in der Sonne trocknen. Rund 1 ½ Stunden hat die Fahrt aus Zimbabwes Hauptstadt Harare  gedauert. Die meiste Zeit davon ging es über eine Sandstraße, dessen Rippenprofil Stoßdämpfer und Bandscheiben gleichermaßen herausforderten. Die Felder und Hügel rund um das Dorf sehen trocken aus. Über die Ebene sieht man vier Frauen wandern, in bester Haltung, bunte Plastikkanister am Kopf balancierend. Alles keine großen Touristenattraktionen. Ein simbabwisches Dorf wie jedes andere, könnte man glauben.

Bücherrad statt Bücherbus

Zambuko
Und doch, dank der Vision von Dominic Mandere ist mitten im Busch ein aktives Zentrum für die Dorfbewohner entstanden. Inzwischen ist Dominic der Dorfälteste und sein ganzer Stolz ist die Bibliothek, die im Rahmen eines Projekts mit Jane Tarr und Nick Clough von der Universität Bristol verwirklicht werden konnte. Das Ziel des Projekts ist es, Schulen und Dorfbewohnern in dieser entlegenen Region Zugang zu Büchern zu verschaffen. In der Bibliothek werden die Kinder und Erwachsenen der Umgebung zum lesen lernen und selbst lesen ermutigt. Zudem werden von der Bibliothek aus zehn regionale Schulen – in Simbabwe bedeutet das rund 5.000 Schüler – mit Lesematerial versorgt. Fein säuberlich geordnet stehen die Bücher auf einfachen Holzregalen. Die meisten sind auf Englisch, einige in der lokalen Sprache Shona. Abgesehen von den Bücherregalen besteht die Einrichtung lediglich aus zwei Sesseln und einem Tisch, wo Liliosa, die Bibliothekarin, sitzt. Die Auslieferung und Abholung der Bücher erledigen ein paar junge Männer mit dem Rad. „Es ist wie ein Auto – nur dass wir kein Benzin dafür brauchen und nicht die Luft verpesten,“ verrät mir Kenneth, der unter anderem als Radbote für das Projekt unterwegs ist, mit sichtlichem Stolz. Bis zu 40 Bücher passen in seinen Rucksack. Den Job in der Bibliothek mag er sehr, seine ganze Leidenschaft gehört aber der Musik. Gemeinsam mit vier Freunden spielt er so oft es geht auf der Mbira – dem traditionellen Instrument Simbabwes. Mit seinen auf ein Holzbrett montierten Metallzungen, die einen warmen Klang erzeugen, wird es auch Daumenklavier genannt. Als Verstärker dient eine Kalabasse, in der die Mbira mit einem Zweig festgeklemmt wird. Gemeinsam mit seinen vier Freunden gibt Kenneth im Kulturzentrum des Dorfes Mbira Workshops, um diese Tradition am Leben zu erhalten.

Lebendiges Dorf

ZambukoDominic ist selbst nie zur Schule gegangen, als er jung war – vor rund 70 Jahren – war das wohl keine Priorität. Dafür weiß er sehr gut, wie man baut, denn als er 45 Jahre alt war, wurde sein gesamtes Dorf einfach umgesiedelt, um einer weißen Farm Platz zu machen. Das erste, das in der neuen Heimat gepflanzt wurde, waren die Mangobäume, die heute dem Dorf Früchte und Schatten spenden. Eines der wichtigsten Gebäude ist die „Dare“, das Gemeinschaftshaus. Dort trifft man sich um zu diskutieren, zu beraten, Gäste zu empfangen, die Geister der Ahnen anzurufen und zu feiern. Hier richtet Dominic auch über dorfinterne Probleme, schlichtet Streit und entscheidet über Ehezwiste. Wenn man ihn nur ansieht weiß man schon, dass seine Entscheidungen stets fair ausfallen. Um das Leben und die Traditionen in seinem Dorf festzuhalten arbeitet er mit einigen anderen Dorfmitgliedern oft in der Bibliothek an einer Dorfchronik. Mit der Umsetzung seines Bücherprojekts ist der 78-jährige jedoch noch lange nicht fertig mit seinen Ideen. So wünscht er sich ein kleines Aufnahmestudio für die Dorfmusiker, damit die Mbiraklänge für die Nachwelt erhalten werden können, ein Computer für Trainingszwecke wäre toll und die Einrichtung einer eigenen Homepage würde helfen, mehr Menschen auf das Projekt aufmerksam zu machen. Es gibt auch noch eine kleine Lodge, die vor einigen Jahren von einem amerikanisch-simbabwischen Ehepaar gebaut, und dann der Dorfgemeinschaft überlassen wurde. Der einstöckige Rundbau soll eingerichtet werden, um auch einmal internationale Besucher beherbergen zu können. Derzeit wird er für Schulklassen genutzt, die manchmal aus der Stadt auf Exkursion kommen, um die Lebensweise ihrer Vorfahren am eigenen Leib zu erfahren.

Zimbabwe - ZambukoDer Sternenhimmel über dem Dorf ist unglaublich schön. Der Mond wirft scharf abgegrenzte Schatten, wie man es selten sieht. „Das sind die Vorteile, wenn man keinen Strom hat“, meint Dominic. Viel mehr fallen ihm aber nicht ein. Vor allem, wenn die Dorfbewohner abends lesen wollen, geht ihnen die Elektrizität ab. Denn so nahe am Äquator wird es früh und plötzlich dunkel. Nach 19 Uhr ist es in der Regel stockfinster. Das ist ein weiterer Punkt auf Dominics Wunschliste: die Anbindung an das Stromnetz „damit wir abends nicht auf Schlangen treten und lesen können!“ In der Sprache der Shona bedeutet Zambuko „Brücke“. Eine Verbindung zu Wissen und zur Tradition, eine Brücke zwischen Ursprünglichkeit und Moderne. Dominic ist der Brückenbauer.

Zambuko Community Culture Centre and Library
www.zambukocommunitylibrary.org.uk

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