Höchst kontrovers ist das Verhältnis zwischen Zwei- und Vierbeinern, wenn sie auf Reisen aufeinander treffen. Die Qualität der Begegnungen von Mensch und Tier rangiert zwischen Zirkusakt und atemberaubenden Naturerlebnissen.
Tiere zu beobachten ist etwas Schönes. Wie kann man einen Naturliebhaber glücklicher machen als ihn Tiere in freier Wildbahn beobachten zu lassen? Der Artenreichtum der Galapagos Inseln, die gigantischen Tier-Migrationen in der Serengeti oder die Berggorillas in Ruanda oder Uganda zählen zu den schillerndsten Sternen am Reisehimmel. Voraussetzung ist dabei eine dicke Brieftasche. Im Idealfall fließt ein Teil des Reisepreises in den Artenschutz und in den Erhalt der letzten Rückzugsgebiete der Wildtiere.
Wertvolle Erlebnisse
Bei den Berggorilla-Trecks im Volcanoes Nationalpark von Ruanda dürfen maximal acht Besucher mit einem lizensierten Ranger eine Berggorilla-Familie aufsuchen und dann 60 Minuten lang beobachten. Dabei ist ein Mindestabstand von sieben Metern Vorschrift, damit die Tiere von Infektionen verschont bleiben. In dem Nationalpark wurden nur acht der Berggorilla-Gruppen in einem jahrelangen Prozess an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt. Deshalb sind die nötigen Genehmigungen nicht nur äußerst rar, sondern mit USD 750 pro Person und Trekking auch empfindlich teuer. Das System von kleinen, streng kontrollierten Besuchergruppen, die hohe Gebühren zahlen, von denen ein Teil direkt in den Schutz der Tiere, ihrer Lebensräume und den Kampf gegen die Wilderei fließt, zählt zu den größten Erfolgen auf der Weltkarte des Wildlife-Tourismus. Im Painted Dog Conservation Zentrum in Simbabwe können Besucher die vom Aussterben bedrohten Afrikanischen Wildhunde beobachten. Das Anti-Wilderer-Team der Organisation sammelt jährlich Tausende Fallen im Hwange Nationalpark ein und lädt 1.000 Schulkinder pro Jahr zu „Bush Camps“ ein, um ihnen die Wildtiere und die Natur nahezubringen. Das Abu Camp in Botswana zeigt, wie man Elefanten und Touristen auf einen Nenner bringt. Die Abu Herde besteht aus Elefantenwaisen und Tieren, die zuvor in Gefangenschaft lebten. Sie werden nach einer speziellen Methode sanft trainiert. Gleichzeitig arbeitet die Safarilodge mit führenden Forschungsinstituten zusammen, um die bedrohten Elefantenpopulationen zu schützen.
Fragwürdige Attraktionen
Anders als den Berggorillas oder Wildhunden ergeht es Karussell-Pferden, wie etwa jenen im berühmten Wiener Prater, die ihr Leben lang von früh bis spät im Kreis laufen müssen. Tierquälerei als Teil von Tourismusattraktionen gibt es zuhauf – von den Tanzbären in Asien und Osteuropa bis zu den überfüllten Krokodilfarmen in Afrika oder Asien. Viele Zoos, Aquarien, Delfinarien und andere Tiershows stehen dem in Sachen Tierquälerei um nichts nach. Neben einer nicht artgerechten Haltung, die in Misshandlungen bei der Dressur gipfeln, bedienen sich viele dieser „Attraktionen“ fragwürdiger Methoden bei der Beschaffung ihrer Stars, bei deren Selektion nicht selten Hunderte Artgenossen getötet werden. So sehr sie auch zu lächeln scheinen – Delfine leiden ebenso wie Orcas in den trostlosen Betonpools jede einzelne Minute ihrer Gefangenschaft. Elefanten, auf denen einmal Touristen reiten sollen, werden bereits als Babys angekettet und mit Eisenhaken traktiert. Die gequälten Tiere werden zur Gefahrenquelle, es kommt immer wieder zu tragischen Unfällen.
Grausames Hobby
Auf der Suche nach dem ultimativen Kick reisen Hobbyjäger über den Erdball, um mit möglichst exotischen Trophäen im Gepäck wieder heimzukehren. Selbst Wünsche nach Abschussgenehmigungen für gefährdete Arten wie Löwen, Nashörner oder Elefanten können Anbieter von Jagdreisen erfüllen, vorausgesetzt es fließt genügend Bares. Bestehende Gesetze werden im Schatten von instabilen Regierungen und Korruption allzu oft umgangen, deshalb können die „Lizenzen zum Töten“ auch für gefährdete Arten wie Löwen, Elefanten oder Nashörner „organisiert“ werden, vorausgesetzt, die Bezahlung stimmt. Fast alle privaten Anbieter im Südlichen Afrika, die Vergnügungen wie Spaziergänge mit Löwen oder das Streicheln von Löwenbabys anpreisen, sind getarnte Zuchtanstalten für die Löwenjagdindustrie.
Geschmacklose Traditionen
Die Begriffe Tiere und Tradition in einem Satz genannt, bedeuten meist nichts Gutes. Beim Maya-Ritual „Kots Kaal Pato“ im mexikanischen Bundesstaat Yucatán werden Opossums totgeprügelt und Enten bei lebendigem Leibe verstümmelt. Stierkämpfe in Spanien und Südamerika, Kamel-Rennen im arabischen Raum, Hahnenkämpfe in Asien oder die fast weltweit illegal durchgeführten Hundekämpfe toppen die Liste der Grausamkeiten. Ebenso zu meiden sind Souvenirs oder traditionelle Speisen, die auf Tierleid basieren, man denke an Geschmacklosigkeiten wie Hocker aus Elefantenbeinen oder Haifischflossensuppe. Ob man nun reinen Gewissens die Spanische Hofreitschule besuchen kann oder einen Almabtrieb, obwohl die Kühe laut Tierschützern viel zu schwere Glocken tragen, bleibt dahingestellt. Wie aber verfährt man mit kulturellen Traditionen wie jener der Mahouts in Indien, die ihre Arbeitselefanten auch brauchen, um gefahrlos im Dschungel einer für den Erhalt offener Landschaften wichtiger Feldarbeit nachzugehen oder auf unwegsamen Terrain Wilderern nachzustellen? Ist die kulturelle Komponente für Menschen so wichtig, dass der Zweck die Mittel heiligt?
Positive Entwicklungen
Die genannten Negativ-Beispiele verdeutlichen, dass Tourismusattraktionen bei denen Wildtiere eingesetzt oder zur Schau gestellt werden, in verantwortungsvoll gestalteten Reiseprogrammen nichts verloren haben. Tierattraktionen sind im allerseltensten Fall die wissenschaftlichen Einrichtungen oder gar Tierschützer als die sie sich gerne präsentieren. Vielmehr sind es kommerzielle Unternehmen, bei denen der Umsatz im Vordergrund steht und nicht das Wohl ihrer Schützlinge. Viele der genannten Szenarien bergen die Gefahr, dass mit den Tourismus-Dollars gutgläubiger Tierfreunde grausame Praktiken finanziert werden. Bleibt zu hoffen, dass die Liste an positiven Beispielen für Begegnungsmöglichkeiten von Tier und Mensch vor dem Hintergrund von verantwortungsvollen Tourismusinitiativen stetig länger wird. Um Interaktionen zwischen Tier und Mensch für beide Seiten erträglich und sicher zu gestalten, braucht es in jedem Fall viel Sensibilität und ein kritisches Auge der Verantwortlichen in der Reisebranche.