Internet, Digicam, Smartphone und Virtual Reality sind Meilensteine einer digitalen Evolution hin zu einer immer stärker digitalisierten Gesellschaft. Die wörtliche Herleitung „den Finger betreffend“ beschreibt auf einfache Weise, was digital im Kontext Tourismus bedeutet: ein Klick auf den Auslöser der Kamera oder die Taste des PCs generiert Daten, die im Anschluss weiter verwendet werden können. Die elektronische Datenverarbeitung von Reiseinformationen und Kundendaten am Computer, die Allgegenwart des Internet als Kommunikationsmedium und zuletzt die flächendeckende Nutzung haben das Mensch-zu-Mensch-Geschäft Tourismus gehörig verändert.
Die Reisenden sind heute informierter, wählerischer und interaktiv in die konkrete Urlaubsorganisation eingebunden. Sie recherchieren, bevor Sie ins Reisebüro gehen – falls sie nicht gleich online buchen. Wenn sich die Vorinformation nicht rein auf die Preisunterschiede konzentriert, können Reisebüros kompetent die Kundenwünsche erfüllen. Genaue und persönliche Zielgebietskenntnis schlägt allemal die Selbstdarstellung oder die anonyme Drittmeinung im Netz. Auf Reisen generieren sie massig wertvolle Eindrücke, die kluge Expedienten als Feedback-Schleife zu nutzen wissen. Referenzen und die schönsten Urlaubsbilder bereichern auch die Webseite der Urlaubsverkäufer, wenn man den Kunden danach fragt. Google macht es vor: Wer deren Landkarte mit verbessert, indem er Fotos hochladet, Referenzen schreibt oder fehlende Informationen ergänzt, der erhält Punkte und Zusatznutzen als Local Guide.
Datenschutz versus Datenschatz
Aber nicht alle Daten, die zugänglich sind, sind auch legal nutzbar. Die Grenzen sind verwaschen. Es gilt, unter Berücksichtigung des Datenschutzes einen verwertbaren Datenschatz anzuhäufen und so die Grundlage für eine optimale und persönliche Kundenbindung zu legen. Eine gute Datenbank vorausgesetzt, lässt sich personalisierte Werbung – per Social Media, Newsletter, Grußkarte, persönlichem Katalogbegleitschreiben oder im Beratungsgespräch weitaus effektiver anbringen als durch „Schrotflinten-Marketing“. Psychometrie lautet das Zauberwort.
Die Destination als Bühne
Vorbei sind die Zeiten, in denen nach dem Urlaub entwickelte Fotos dem überschaubaren direkten Bekanntenkreis vorgeführt wurden. Heute wird live berichtet und das Selfie vor der Sehenswürdigkeit – sei es ein Schloss, eine Kirche oder ein palmengesäumter Strand – geht unmittelbar auf die Jagd nach Likes. Der Reisende steht auf der Bühne, die Destination verkommt vom Lernort zur Kulisse für die Selbstdarstellung. Smarte Destinationen nutzen dies und setzen sich entsprechend in Szene.
Menschen vernetzen sich
Couchsurfing und Airbnb waren deshalb eruptive Innovationen, weil sie Menschen aus den Quellgebieten in direkten Kontakt zu ihren Gastgebern brachten, die nach gründlichem Profilcheck die eigenen Türen für „Fremde“ öffneten. Die vernetzte Welt hat eine neue Spezies hervorgebracht: die privaten Anbieter touristischer Leistungen. Das gleiche System nutzte Uber für den Mobilitätssektor. Die altbewährten professionellen Tourismus-Dienstleister begreifen erst langsam, dass der direkte persönliche Kontakt zum potenziellen Kunden heutzutage digital und ohne lange Wartezeiten erfolgt und durchaus zu Urlaubserlebnissen führt, die es jederzeit mit herkömmlich gebuchten Reisen aufnehmen können.
Das Ende der „Black-Box“?
Wenn die Information über die Reisegebiete digital geteilt, die Buchungen digital durchgeführt und die Erlebnisse digital bewertet werden, sind wir dann auf dem Weg zu einem transparenten Einblick in die Mechanismen der Urlaubsentscheidung? Können die Algorithmen der Datensammler bald mit großer Treffsicherheit voraussagen, wer, wann, wie lange, mit wem und welchem Budget wohin fahren will bzw. wird? Vor knapp 60 Jahren beschrieb der Schweizer Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger in seiner Theorie des Tourismus die Reiseführer als Wegweiser und die Sehenswürdigkeiten als abzuarbeitende Orte dessen, was man gesehen haben muss. Steht uns ein Tourismus 4.0 ins Haus, der das Dynamic Packaging so perfektioniert, dass alle Spontaneität und Individualität im Urlaubsverhalten auf der Strecke bleiben? Werden unsere Wünsche und Urlaubsträume gläsern? Oder ersetzt gar – in Zeiten von Krisen, Kriegen und Katastrophen – die digitale Welt die reale und wir ziehen uns mit Brillen und smarter Kleidung in virtuelle Urlaubswelten zurück?