Radpilgern: Dem heiligen Wolfgang auf der Spur

E-Biker auf einer Straße vor Bergkulisse

Per E-Bike gleich 330 Kilometer zu pilgern ist zumindest für Bürohengste und -stuten kein wahres Honiglecken, sondern trotz Antriebshilfe eine Herausforderung, die oben Spaß macht aber hinten ziemlich schmerzt.  

Ein Lokalaugenschein von Wolfgang Weitlaner

Der Weg ist nicht das Ziel

Idyllische Seenlandschaft mit HäusernAbt Wolfgang von Metten findet den Spruch „Der Weg ist das Ziel“ für Wallfahrten unpassend. „Das Ziel einer Wallfahrt ist immer das Erreichen des Heiligtums. Was Wallfahrer dabei für sich selbst mitnehmen oder erkennen, bleibt jedem selbst überlassen“, meint er. Jedenfalls spendet er den Pilgern, egal ob sie mit dem Rad oder zu Fuß kommen, gerne den Segen für eine sichere Reise. Die Stiftskirche des Klosters Metten ist übrigens eine der sehenswerten Stationen des neuen E-Bike-Pilgerweges von Regensburg, wo der heilige Wolfgang im Jahr 996 begraben wurde, bis nach St. Wolfgang im Salzkammergut, wo er als Einsiedler lebte und Wunder wirkte. Es gilt eine Strecke von rund 330 Kilometern in dreieinhalb Tagen zu bewältigen. Der Fußweg, den es seit Jahren gibt, hat mit dem neu geschaffenen Radpilgerweg nur die letzten Kilometer – ab Mattighofen – gemeinsam. „Auf dem Radweg liegen so viele Wolfgang-Heiligtümer, dass man ihn getrost als Wolfgangweg bezeichnen kann“, meint der pensionierte Rechtsanwalt Peter Pfarl, der einen Wanderführer beider Wolfgangwege publiziert hat.

Strampeln an der Donau

Radler in grüner LandschaftWie immer man dem Radpilgern auch begegnet, stressgeplagte und unfitte Büromenschen leiden auch am E-Bike schon nach den ersten 100 Kilometern, denn die Antriebshilfe macht das Strampeln nur leichter, ersetzt es aber nicht völlig. Dabei haben die Projektverantwortlichen etwas sehr Kluges gemacht: Am ersten Tag muss man nur 56 Kilometer entlang der Donau in die Pedale treten. Das erste Highlight ist der Ausgangspunkt der Pilgerreise, die Unesco-Weltkulturerbe-Stadt Regensburg mit ihrer malerischen Altstadt und dem gewaltigen Dom. Der Kaffee in der Confiserie Prinzess lenkt zunächst einmal von der bevorstehenden brachialen Tour-de-Force ab. Sei’s drum, wenn man es nicht überlebt, hat man zumindest zum Abschluss noch vom „Süßen Donaudampfer“, „Liebeszauber“ und „Kussmund“ – so die Namen der handgemachten Süßigkeiten – genascht. Doch dann beginnt das Rad zu rollen. Erster kurzer Verschnaufstopp ist unter der Gedenkstätte Walhalla, dem von Ludwig I. nachgebauten Parthenon-Tempel über der Donau. Ein Blick auf den Hügel reicht, dann geht die Reise weiter über den Wallfahrtsort Sossau nach Straubing. Letzteres ist ein entzückendes Städtchen mit einem langgezogenen Stadtplatz, einer Dreifaltigkeitssäule und der gewaltigen Backsteinkirche St. Jakob. Einer der schönsten Orte ist jedoch der stimmungsvolle Friedhof der St. Peter Kirche außerhalb der Stadt. Hier ruht der Legende nach Agnes Bernauer, die heimliche Ehefrau von Herzog Albrecht III., die sein Vater während Albrechts Abwesenheit töten ließ, weil die Verbindung nicht standesgemäß war. Doch das ist bereits die zweite Etappe des Wolfgangwegs: rund 85 Kilometer von Straubing nach Vilshofen. Zunächst gilt es, sich von den ersten Strapazen der Reise zu erholen und todmüde ins Bett zu fallen.

Barock auf Touren

Eine Heiligenfigur mit einer Kirche am ArmDer Weg am zweiten Tag ist fast durchgehend flach und führt bis Deggendorf entlang der Donau. Erster kultureller Höhepunkt ist die prachtvolle Stiftskirche des Klosters Metten mit ihren Doppeltürmen. Hier kann man eine Mittagspause einlegen und dann weiter zur päpstlichen Basilika Osterhofen oder zum Kloster Aldersbach pilgern. Die „Tour de Baroque“, wie der Teil des Radweges genannt wird, folgt den Spuren der Brüder Asam, der eine Stuckateur, der andere Maler, die beide für die üppige Ausstattung der Kirchen verantwortlich waren. Unzählige Engel und Heiligenfiguren vor großen Ölgemälden an den Altären, gewaltige Deckenmalereien mit 3D-Wirkung zeichnen diese gewaltigen Sakralbauten aus. Beim Stift Aldersbach ist eine Brauerei mit Festsaal, Stüberl und Biergarten angeschlossen. Hier kann man das frischgezapfte Bier genießen. Man spürt deutlich, dass jeder Schluck des Hopfengetränks wohlverdient und redlich erarbeitet ist. Die letzten Kilometer bis zum Tagesziel Vilshofen radelt es sich dafür leichter. Langsam gewöhnt man sich an das Radfahren. Bei der Stadteinfahrt von Vilshofen kommt wahre Freude darüber auf, dass man den zweiten Tag heil überstanden hat. Ein herrliches Nachtmahl im Wittelsbacher Zollhaus lässt einen die Schmerzen im Gesäßbereich rasch vergessen.Toskana in Niederbayern

Durch die bayerische Toskana zum Inn

Radfahrer auf einem Weg, dahinter BergeVon Vilshofen geht die Reise durch die niederbayerische Toskana. Sanfte Hügel, ein Auf und Ab für den Radler. Jetzt ist man froh darüber, die Unterstützung des E-Motors zu haben. Auf den ersten Kilometern geht es noch recht gemütlich zu. Man hat die Muße, die Landschaft in der Frühlingssonne zu genießen. Zwei besondere Sehenswürdigkeiten prägen die 85 Kilometer lange Strecke. Einmal die Wallfahrtskirche Sammarei, die über einer Holzkapelle errichtet wurde. Der Legende nach hat sie eine Feuersbrunst schadlos überstanden. Gläubige haben in dem schmalen Gang rund um die Kapelle über Jahrhunderte hinweg Votivtafeln angebracht. Die Magie des Platzes ist deutlich spürbar. Das zweite Highlight ist der kleine Wallfahrtsort St. Wolfgang im Rottal. Hier soll der heilige Wolfgang – ähnlich wie am Falkenstein – ein Beil geworfen haben nachdem er sich verirrt hatte. An dieser Stelle wurde dann später die Kirche errichtet, wo man noch heute im Stein die Fußspuren des Heiligen sehen kann. Mit bleiernen Beinen schwingen wir uns erneut auf das Fahrrad und treten mühsam nach Rotthalmünster, wo wir in einem uralten Gasthof einkehren, den Schweinsbraten und die Ruhepause genießen. Die restliche verbleibende Fahrstrecke führt uns durch das bayerische Bäderdreick direkt auf den Inn zu. Wir überqueren die Grenze nach Österreich und rollen weiter nach Braunau, wo wir die letzte Nacht vor dem Ziel verbringen. Am Abend erkunden wir die Stadt mit ihrer imposanten Stadtpfarrkirche und dem gewaltigen Stadtplatz. Die Müdigkeit kommt schnell, und angesichts der letzten Etappe von 110 Kilometern wird der Abend sehr kurz.

Von Braunau nach St. Wolfgang

Blick von Seeterrasse auf den Wolfgangsee und die umliegende Bergwelt

Jetzt ist es soweit: Jeder Tritt ins Pedal schmerzt. Nur weil es elektrisch unterstützte Fahrräder sind, heißt das noch lange nicht, dass man nach 200 Kilometern nicht trotzdem einen gewaltigen Muskelkater und ziemliche Probleme mit dem Sitzfleisch hat. Doch die vielfältige und reizvolle Umgebung entschädigt für alles. Der Mattigtal-Radweg Richtung Süden ist ein Genuss in jeglicher Hinsicht: Die Landschaft ist abwechslungsreich und am Horizont sieht man die Alpen immer näher kommen. Ein Stopp bei der Wallfahrtskirche St. Florian bei Helpfau bringt neue Energien. Bis zur Mittagsrast gilt es allerdings noch durchzuhalten. Als der Irrsee auftaucht, kommt helle Freude auf, denn die Pause ist in Sicht. Wir rasten beim Dorferwirt. Von der Terrasse hat man einen wunderbaren Blick auf den See. Mit Schaudern denkt man an den Fahrradsattel zurück – das Ziel vor Augen, aber es sind immerhin noch fast 45 Kilometer. Nächste Station ist Mondsee mit seiner Klosterkirche. Was für ein Privileg, mit dem Rad bis vor das Kirchenportal fahren zu können und es dort abzustellen! Dann folgt eine der elegantesten Passagen der Reise entlang des Mondsees. Die Straße fällt leicht ab. Das Treten macht Spaß. Man schaltet den E-Motor aus und das fast 23 Kilogramm schwere Gefährt kommt in die Gänge. Doch die Freude schlägt in Verzweiflung um: Die letzte Hürde ist der Scharfling-Pass – eine kurvenreiche Passstraße. Dann geht es bergab nach St. Gilgen. Eine kurze Zeit der Besinnung folgt, denn immerhin ist es eine Wallfahrt. Wir stoppen im Europakloster Gut Aich, wo der Benediktiner-Prior Johannes Pausch jedem Radpilger den Wolfgang-Segen spendet. Wie ein König fühlt man sich, wenn man dann weiter bergab durch das in der Vorsaison noch verträumte St. Gilgen und am Radweg entlang des Wolfgangsees fährt. Der Radweg folgt der Trasse der ehemaligen Salzkammergut-Lokalbahn, die bis in die 50er Jahre hier gefahren ist. Dann geht es Schlag auf Schlag und man fährt am Zielort ein. Plötzlich fällt die ganze Last von einem ab und man dreht noch eine letzte Ehrenrunde vor dem Weißen Rössl, ehe das Fahrrad fachgerecht deponiert wird. Ein kühlendes Bad im See sorgt für Entspannung. Am nächsten Morgen geht es zu Fuß auf den Falkenstein – zu den Kraftorten, an denen der heilige Wolfgang als Einsiedler gelebt hat, wie Buchautor Pfarl erzählt. Der heilige Wolfgang war eine Art Universalpatron. „Man rief ihn für alle möglichen Belange an, egal ob es ums Vieh ging, um Krankheiten, Feuersbrünste oder Ernten. Und die Legenden von Heilungen und Wundern waren in aller Munde.“ Letzter Höhepunkt ist der Besuch der Kirche im Ort St. Wolfgang. Wie die Pilger in alten Zeiten – im Spätmittelalter waren es jährlich 80.000 – wäscht man sich am Brunnen vor der Kirche Hände und Gesicht, ehe man die Kirche mit dem berühmten Pacher-Altar betritt und die ganze Reise langsam noch einmal in Gedanken vorüberziehen lässt. Da kommt man auch zum Schluss, dass sich die Strapazen wirklich gelohnt haben. Doch das ist eine andere Geschichte.

Infos & Buchtipp

Der Wolfgangweg-FührerWolfgangsee-Tourismus (www.wolfgangweg.at) bietet die dreieinhalb tägige E-Bike-Pilgerreise als Package an. Die Räder werden nach Regensburg geliefert und am Zielort retourniert.

Der Reiseführer „Der Wolfgangweg – von Regensburg über Altötting nach St. Wolfgang am Wolfgangsee  – Für Fußpilger und Radfahrer“ von Peter Pfarl ist im Tyrolia-Verlag erschienen und erzählt auch die Geschichte des heiligen Wolfgang und seiner Wunder.

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