Jemen: Geheimnisvolles Sokotra

Eine afrikanische Insel mit arabischer Kultur. Urzeitlandschaften. Hochebenen, tiefe Canyons und türkisfarbenes Wasser. Fremd anmutende Bäume und Pflanzen, die es sonst nirgends gibt. Beduinen, die leben wie vor tausend Jahren. Die jemenitische Insel Sokotra ist ein wertvolles Relikt aus einer längst vergangenen Zeit, das seit 2008 zum Unesco Weltnaturerbe zählt.

Der Drachenbaum ist ein Wahrzeichen der jemenitischen Insel SokotraVor zirka 30 Millionen Jahren trennte sich die Inselgruppe vom arabischen Festland. Dadurch konnte sich eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt, aber auch eine eigenständige Sprache und Kultur entwickeln. Experten schätzen, dass von 2.700 in Sokotra vorkommenden Pflanzenarten bis zu 900 endemisch sind. Urzeitliche Drachenblut- und Weihrauchbäume, Flaschenbäume, Sukkulenten, Tamarisken und Palmen aber auch viele Heil- und Gewürzkräuter machen die Insel speziell für Naturliebhaber interessiant. Im mehr als 1.500 Meter hohen Haghir-Gebirge gibt es neben Wüstenoasen sogar einen kleinen Regenwald. Wahrzeichen Sokotras – und ein bestechendes Fotomotiv – sind die Drachenblutbäume mit ihrer pilzartigen Krone aus stacheligen Blättern. Auf der Hochebene von Diksum gibt es Hunderte davon, viele von ihnen bis zu 1.000 Jahre alt.. Einzigartig ist auch der Fleisch fressende Caralluma socotrana, ein Sukkulent, der mit seinen sternförmigen roten Blüten zwar hübsch aussieht aber mit seinem Aasgeruch wohl  eher Fliegen als Pflanzenliebhaber zu beeindrucken sucht.

Faszinierend und verwundbar

Schroffe Felsküsten und die typische Vegetation mit Drachenbäumen über strahlend blauem Meer in Sokotra/JemenSokotra  liegt am Horn von Afrika im Indischen Ozean an der Einfahrt zum Golf von Aden, rund 230 Kilometer östlich von Somalia und 380 Kilometer südlich des Jemen, zu dessen Staatsgebiet es auch gehört. Der Archipel, der wegen seines Wasserreichtums schon von den alten Ägyptern und Griechen geschätzt wurde, umfasst 3.550 km2 und besteht aus einer großen und drei kleineren Inseln. Neben diesen vier Hauptinseln gehören noch drei felsige, unbewohnte Eilande dazu. Bis zu 800 Meter hohe Plateaus, einschneidende Wadis und steile, schroffe Felswände, die in einen kristallklaren Indischen Ozean abfallen prägen die Inselgruppe. Noch bis vor 20 Jahren war Sokotra nur mit dem Schiff erreichbar und Besucher vom Festland waren dementsprechend rar. Diese Isolation hat auch bewirkt, dass die Kultur der Inselbewohner, der Sokotris, nahezu unbeschadet erhalten blieb. Die Bevölkerung setzt sich aus Arabern, Indern, Afrikanern und Portugiesen zusammen. Die Sokotris sprechen ihre eigene Sprache, ebenfalls Sokotri genannt. Sie unterscheidet sich wesentlich vom Arabischen, hat aber keine Schrift. Nicht zuletzt durch den Tourismus droht ein Wandel: bald könnte die traditionelle Lebensweise des Hirtenvolkes vergessen sein und die Sprache vollends vom Arabischen verdrängt werden.

Ökotourismus ist Programm

Eine rauhe Gebirgslandschaft mit karger grüner Vegetation auf der zum Jemen gehörenden Insel SokotraSeit nunmehr zehn Jahren landet in der Regel täglich ein Flugzeug in Hadibou, dem an der Nordküste gelegenen Hauptort der Insel. Neben Gemüse und Obst, das auf Sokotra kaum wächst, finden sich seit einiger Zeit auch immer wieder Touristen an Bord. Im Jahr 2008 waren es weniger als 4.000 und es gilt, die Zahlen weiterhin niedrig zu halten, um das empfindliche Gleichgewicht dieses „zweiten Galapagos“ nicht aus dem Lot zu bringen. Bei allem Eifer, den das plötzliche Interesse bei den jemenitischen Touristikern hervorruft, setzt man aber erfreulicher Weise auf Nachhaltigkeit und Grünen Tourismus. Um die Insel und ihre geschätzten 60.000 Einwohner und ihre Umgebung zu schützen, wurden schon zu Beginn des neuen Jahrtausends rund drei Viertel des Landes unter Naturschutz gestellt, der sich auch auf das fischreiche, küstennahe Meer erstreckt. Bereits seit einigen Jahren arbeiten Experten des UN-Entwicklungsprogramms an einem Ökotourismus-Programm, das Traditionen, Naturschutz und Fremdenverkehr in Einklang bringen soll. Es geht um das Bewahren dieses Kleinods unter Einbeziehung der Inselbewohner in das wachsende internationale Interesse an ihrer Heimat. So lässt sich so mancher Fischer oder Kleinbauer zum Fremdenführer oder Chauffeur ausbilden und findet im Tourismus eine alternative Einkommensquelle, in Zeiten wo die ursprüngliche Lebensweise durch Überweidung und Überfischung bedroht ist.

Schön einsam

Ein Rückzugsgebiet für die Natur - die Höhlen von Sokotra/JemenUm die Insel zu erkunden, kann man sich für eines der einfachen kleinen Hotels in Hadibou entscheiden. Viel näher an die Natur kommt man allerdings beim campieren. So zelten Öko- und WandertouristInnen in Wadis zwischen Palmen und natürlichen Pools, zwischen berghohen Sanddünen und Wäldern aus zart rosa blühenden Wüstenrosen. Die Zeltplätze in den geschützten Gebieten werden ausschließlich von Einheimischen betrieben, die auch sachkundig und mit viel Respekt durch die Natur führen. Um sich für die bunte Vogelwelt Sokotras zu begeistern, muss man kein Ornithologe sein. Der Sokotra-Star mit seinen schwarz-roten Flügeln, der Sokotra-Sonnenvogel mit seinem gebogenen Schnabel oder der ebenfalls nach der Insel benannte Bussard zählen zu den endemischen Vogelarten der Inseln. Die Schmutzgeier gibt es zwar auch in anderen Regionen, dafür begleiten sie die Touristen auf Schritt und Tritt und warten in Respektabstand, ob beim Picknick nicht doch auch für sie etwas abfällt.

Natürliche Regenerationspause

Die heißen Stürme, die zwischen Mai und September über die Inselgruppe fegen, halten europäische Urlauber weitgehend von Reisen im Sommer ab. Auf diese Weise kommt es zu einer Zwangspause, in der sich die Insel und ihre Bewohner vom noch immer etwas ungewohnten Fremdenverkehr erholen können. Der Ökotourismusverband auf Sokotra organisiert individuelle Touren mit ausgebildeten einheimischen Führern – Informationen zu den Projekten und Plänen findet man auf Englisch unter www.socotraisland.org. Die Insel ist bei einigen deutschen und österreichischen Veranstaltern (z.B. ARR Natur- und Kulturreisen, Die Bergspechte, Hauser Exkursionen, Oase Reisen) im Programm.


Anreise:

Sokotra ist über die jemenitische Hauptstadt Sana’a in nur wenigen Flugstunden von Europa aus zu erreichen. Zwischen Juli und September muss man mit starken Winden rechnen, die regelmäßig den Flugverkehr lahm legen. Beste Reisezeit ist zwischen November und März. Allgemeine Jemen-Informationen gibt es im Internet unter www.yementourism.com

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